Pilgern - beten mit den Füßen
Den Pilgerauftakt in der Diözese St. Pölten bildeten eine Pilgerwanderung von Marterl zu Marterl rund ums Wetterkreuz bei Hollenburg sowie ein gemeinsames Pilgern für den Frieden von Annaberg nach Mariazell – und viele Interessierte waren dazu gekommen. „So wie der auferweckte Jesus am Ostermorgen Maria Magdalena begegnet, begegnet er auch jeder Pilgerin und jedem Pilger persönlich.
Der Lebensweg wird zum Pilgerweg“, nimmt Pilgerbegleiterin Sylvia Ströbitzer Bezug zu einer Station der Marterl-Pilger.
Und ihr Ehepartner, Hans Ströbitzer, weist auf zentrale Momente des Pilgers hin. Zuerst: „Pilgern heißt, sich äußerlich, aber auch innerlich auf den Weg machen.“ Mit dem Pilgersegen erfolgt das Aufbrechen. Dann das unterwegs Sein – wahrnehmen, bewusst gehen, Begegnungen, innehalten. Das Ankommen erfüllt mit Dankbarkeit und regt an, Erfahrungen ins eigene Leben mitzunehmen.
Biblische Pilger
Pilgern ist wohl (fast) so alt wie die Menschheit. In der biblischen Überlieferung begegnet uns Abraham als einer, der sich – getragen und geführt von Gottes Verheißung – auf den Weg macht in eine zunächst höchst ungewisse Zukunft. Und doch wird Abraham gerade so zum „Vater aller Glaubenden“.
Für das Volk der Israeliten hatte das Pilgern einen hohen Stellenwert. Das wichtigste unter den Pilgerfesten war das Pascha-Fest zu Ostern im Gedenken an den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten.
Auch Jesus lebte in dieser Pilger-Tradition: Seine Eltern vermissten ihn auf dem Heimweg von Jerusalem. Und schließlich kam er selbst als Pilger zum Pascha-Fest nach Jerusalem, wo er erst bejubelt und dann gekreuzigt wurde.
Doch wer steht am Beginn christlichen Pilgerns?
Die Apostelgeschichte berichtet von Menschen aus aller Herren Länder, die zum Pfingstfest nach Jerusalem gepilgert waren und von denen viele zum Glauben an Jesus kamen. Ganz am Anfang steht jedoch eine Frau, und das darf man getrost so sehen: Es ist Maria Magdalena, die am Morgen des Ostertages das Grab Jesu leer fand. Sie erkannte Jesus nicht, hielt ihn erst für den Gärtner, bis er ihren Namen sprach …
Vielleicht liegt darin das Geheimnis des Pilgerns überhaupt: Mit den verweinten Augen der Trauer, der ganzen Last des Lebens Jesus suchen und dann, wenn alles ausweglos scheint, von ihm gefunden und gerufen zu werden – wie eben Maria Magdalena. Sie war es, die den Aposteln die Kunde von der Auferstehung Jesu brachte und so zur „Apostelin der Apostel“ wurde.
Dass Pilgern ein Weg ist, auf dem Jesus als der auferstandene Herr schon mit uns geht, bis er am Ende beim Brechen des Brotes – in der Mahlgemeinschaft der Eucharistie – sich vollends zu erkennen gibt, davon hören wir in der berührenden Erzählung von den beiden Emmausjüngern. Der Emmausgang, wie er vielerorts wieder gepflogen wird, ist also auch eine österlich inspirierte Wallfahrt.
Weg zu den Quellen
Pilgern ist ein Weg zu den Quellen des Glaubens. Nicht umsonst waren für frühchristliche Pilger Jerusalem und Rom die wichtigsten Pilgerziele. Dazu kamen die Stätten der christlichen Märtyrer. Die Orte des Lebens Jesu, das Zeugnis der Apostel und Märtyrerinnen und Märtyrer bildeten ein Fundament für den eigenen Glauben.
Im 4. Jahrhundert setzte mit der Anerkennung des Christentums, vor allem aber nach der Auffindung des Kreuzes und dem Bau der Auferstehungsbasilika (auch „Grabeskirche“ genannt) eine gewaltige Pilgerbewegung in das Heilige Land ein. Zeugnis davon gibt der Reisebericht einer Frau. Diese fromme Pilgerin Egeria (oder auch Etheria) schildert kurz und doch detailreich den Pilgeralltag in Jerusalem. Die Pilger kamen kaum zum Schlafen, um die Ereignisse im Leben Jesu getreu der biblischen Überlieferung an den jeweiligen Orten zu feiern. So gab es zum Fest der Darbringung Jesu im Tempel am 40. Tag nach seiner Geburt eine kleine Wallfahrt; auf diese geht die Lichterprozession am Lichtmesstag (2. Februar) zurück.
Auf und Ab der Wallfahrten
Nach Türkeneinfällen, Pest und Glaubenskriegen waren Wallfahrten ein fester Teil gelebten katholischen Glaubens. Kaiser Josef II. suchte dem ein Ende zu bereiten. Doch viele Wallfahrten überdauerten den großen Aufklärer. Das 20. Jahrhundert war gewiss keine Blütezeit des Wallfahrtswesens. Umso erstaunlicher ist es, dass mit dem nahenden Jahrtausendwechsel Wallfahrten einen regelrechten Boom erlebten. Paulo Coelho begeisterte für den Camino und die alten europäischen Wallfahrerwege nach Santiago de Compostela. Als Pilger kam Papst Johannes Paul II. zu vielen Wallfahrtsorten, und selbst Hape Kerkeling war dann „kurz mal weg“. Ob Maria, Jakobus, Martin, Benedikt, Franziskus oder Sebaldus – zu alten Pilgerwegen kommen immer wieder neue hinzu.
Pilgern und pilgern lassen
Wenn es in früheren Zeiten nicht möglich war, eine gelobte Wallfahrt selbst anzutreten, so konnte man auch jemand anderen für sich „pilgern lassen“. Und das war oft auch ein sozialer Akt sein. P. Johannes Pausch, der frühere Prior des Europaklosters Gut Aich in St. Gilgen, überliefert dazu ein Beispiel aus seiner eigenen Familie. Der Bauer nahm auf dem Kutschbock einen unbeschäftigten Landarbeiter mit, der ihm sein Leid klagte. Der Bauer nahm eine Notlüge zu Hilfe und sagte, es treffe sich gut, er habe gerade eine Wallfahrt gelobt und könne diese selbst nicht machen. So stattete er den Knecht mit allem Nötigen für die Wallfahrt aus, und der pilgerte – wie auch noch manch anderes Mal – nach Rom. Auf die Frage, ob das nicht sehr beschwerlich gewesen sei, meinte der Pilger, das sei halb so schlimm gewesen, weil gleich hinter Verona, ein wenig abseits der Straße, „a guads Wirtshaus“ gewesen sei.