Kirchenturm in Spitz mit Europa Nostra Preis ausgezeichnet

Hoch über der Donau gelegen, prägt die spätgotische Pfarrkirche St. Mauritius seit Jahrhunderten das Landschaftsbild der Wachau. Im Zuge umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchungen wurde das markante, polychrom gedeckte Turmdach, bisher dem 19. Jahrhundert zugeschrieben, auf die Jahre um 1505 datiert. Damit gilt es heute als einzig vollständig erhaltenes Beispiel seiner Art aus dieser Epoche in Österreich – ein nationales Kulturerbe von außergewöhnlichem Wert. Nach Sturmschäden im Jahr 2020 wurde ein groß angelegtes Restaurierungsprojekt initiiert, das vom Bundesdenkmalamt in enger Kooperation mit zahlreichen Fachinstitutionen koordiniert wurde. Ziel war es, das fragile Original zu sichern, wissenschaftlich fundiert zu erforschen und für kommende Generationen zu bewahren.
Das interdisziplinäre Projektteam verfolgte dabei einen mehrstufigen, sorgfältig abgestimmten Ansatz, der neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit traditionellem Handwerk und modernen Konservierungsmethoden vereint. Verformungsgerechte Vermessungen, Photogrammetrie, Dendrochronologie, Bauarchäologie sowie mineralogische und archivarische Analysen lieferten dabei wertvolle Einblicke in spätmittelalterliche Baupraktiken und Symbolik. Besonders hervorzuheben ist das florale Wiesenmotiv, das einen Paradiesgarten, Symbol des Himmelreichs, präsentiert und den österreichischen Bindenschild, das Wappen Kaiser Maximilians I.
Ein eigens angelegtes „Ziegelbuch“ dokumentierte akribisch Lage, Zustand und Typus aller 8.000 historischen Ziegel und trug maßgeblich zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und zum Wissenstransfer bei. Bei der Restaurierung wurde der Schwerpunkt auf minimale Eingriffe gelegt, sodass rund 80 Prozent der bauzeitlichen Dachziegel auch nach der Restaurierung an Ort und Stelle erhalten bleiben. Etwa 2.000 Ersatzziegel wurden von einem erfahrenen Baukeramiker nach den mittelalterlichen Vorlagen hergestellt, um den Originalen bestmöglich zu entsprechen. Ein zeitgemäßes, vollkommen unsichtbares Belüftungssystem wurde diskret integriert, um die historische Bausubstanz zu erhalten und die strukturelle Langlebigkeit des Daches zu verbessern.
Ermöglicht wurde dieses außergewöhnliche Projekt durch die Förderung zahlreicher Partner:innen, darunter das Bundesdenkmalamt, das Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport, das Land Niederösterreich, die Diözese St. Pölten, die Pfarre und Marktgemeinde Spitz sowie lokale Vereine und zahlreiche private Unterstützer:innen.
In diesem Video mit Landeskonservator Gerold Eßer sowie im TV erfahren Sie mehr über die Geschichte und Restaurierung des Daches und können für das Projekt noch voten.